Die Winter-ZaPF 2023 möge beschließen:
Adressat*innen:
Das Parlament des Landes Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Kultur
und Wissenschaft
des Landes Nordrhein-Westfalen
Antragstext:
Die ZaPF fordert das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen auf, bei der Hochschulgesetz-Novellierung besonders
studentische Perspektiven zu berücksichtigen und die Studierenden in die
weitere Entwicklung mit einzubeziehen. Besonders in Zeiten von Krisen,
Inflation und verbreiteter studentischer Armut, in denen Hochschulen
sich zudem der Herausforderung des Fachkräftemangels stellen sollen,
bedarf es konsequenter Ansätze, die diese Probleme auch adressieren:
* Hochschuldemokratie muss ausgebaut werden.
* Nachhaltigkeit und Frieden in Forschung und Lehre müssen wieder
gesetzliche Aufgabe der Hochschulen werden.
* Das Hochschulgesetz muss auf ein sozial gerechteres Studium abzielen.
* Durch Leistungsdruck verursachte psychische Probleme (vergleiche
Studien wie [1]) müssen gemäß der Ergebnisse aktueller Forschung
systematisch reduziert werden.
Hochschuldemokratie
Wir fordern erstens zusätzlich zu der bereits geplanten Viertelparität
im Senat eine Viertelparität in allen Gremien der Hochschule, in denen
Studierende bislang unterrepräsentiert sind. Studierende sind die
zahlenmäßig größte Statusgruppe an der Universität, haben aber im
Vergleich zu Professor*innen ein sehr geringes Mitspracherecht. Alle
Gruppen an der Universität müssen gleichberechtigt vertreten sein, alles
andere ist undemokratisch.
Wir fordern zweitens, dass Rektorate an die Beschlüsse der Senate sowie
Dekanate an die Beschlüsse der Fakultäts-/Fachbereichsräte gebunden
sind. Es soll den Rektoraten beziehungsweise Dekanaten nicht möglich
sein, Beschlüsse von Senaten beziehungsweise
Fakultäts-/Fachbereichsräten zu umgehen oder diese sogar komplett zu
ignorieren. Ansonsten ist die Viertelparität keine wirkliche
demokratische Gleichberechtigung.
Wir fordern drittens eine Reform des Hochschulrates. Dieser muss
grundsätzlich öffentlich tagen; sowohl die Studierenden- als auch die
Arbeitnehmer*innen müssen proportional repräsentiert sein. Der
Hochschulrat ist ein undurchsichtiges Gremium, welches viel Macht über
die gesamte Hochschule ausübt und z.B. das Rektorat mitwählt. Viele
wichtige Entscheidungen, insbesondere z.B. der Beschluss des
Hochschulhaushaltes, erfordert die Zustimmung des Hochschulrates. In
diesem sind oft Großunternehmen als Arbeitgeber vertreten, eine
studentische Vertretung gibt es hier jedoch nicht und auch nur selten
eine Arbeitnehmer*innen-Vertretung. Dies ist fundamental undemokratisch!
Gesellschaftliche Verantwortung
Wir bekräftigen die Forderungen der ZaPF, dass die Hochschulen gewappnet
sein müssen, sich kritisch mit aktuellen Krisen und gesellschaftlichen
Verhältnissen auseinanderzusetzen. Dies ist nur möglich, wenn sie frei
von Partikularinteressen sind. Wir fordern die Landesregierung deswegen
dazu auf, die gesetzliche Zivilklausel, die Aufgabe der Hochschulen zu
Frieden, Demokratie und Nachhaltigkeit in der Welt beizutragen, wieder
einzuführen [2]. Zudem fordern wir, dass das Thema Nachhaltigkeit in der
Lehre verankert wird [3] und nur freie Open-Source-Software aus
öffentlichen Geldern finanziert werden darf [4].
Internationalisierung
Wir fordern, dass kostenlose Deutschkurse im Hochschulgesetz verankert
werden und an Hochschulen in ausreichender Menge angeboten werden.
Internationalisierung heißen wir sehr willkommen, jedoch sind Probleme
für internationale Studierende hier die Regel und müssen angegangen
werden. Momentan verursacht der Status quo für viele internationale
Studierende, besonders für die aus dem globalen Süden, ein sehr
entfremdetes Studium; permanente Probleme mit Visa und permanente
finanzielle Sorgen in einer fremden Kultur verursachen große Einsamkeit
und Frust [5].
Bessere Studien- und Arbeitsbedingungen
Der geplante Ausbau des 0. Semesters [6] wird von der ZaPF als guter
Ansatz für eine Verbesserung des Studieneingangs erkannt. Dies muss
jedoch unbedingt auch BAföG-relevant sein und den Anforderungen, einen
flexibleren Einstieg ohne größeren Aufwand zu ermöglichen, gerecht
werden. Beispielregelungen hierfür existieren bereits an der
Westfälischen Hochschule.
Die ZaPF fordert eine vollwertige, gesetzlich verankerte
Personalvertretung für studentische Beschäftigte im Gesetz [2]: Es muss
dringend Verbesserungen für studentische Hilfskräfte geben. In der
jetzigen Situation wird Machtmissbrauch nicht viel in den Weg gestellt,
da die Beschäftigungsgruppe keine Interessenvertretung mit realer Macht
und Ressourcen hat.
Stress im Studium
Wir fordern, dass das endgültige Nicht-Bestehen von Prüfungen komplett
abgeschafft wird [7].
Alle Statistiken zu psychischer Gesundheit weisen auf eine katastrophale
Situation unter Studierenden hin. Dies liegt erstens an der finanziellen
Lage und zweitens am Stress des Studiums. Ersteres kann nicht alleine
durch das Hochschulgesetz gelöst werde und bedarf weiterer Initiativen
der Landesregierung. Zweiteres jedoch kann und muss durch die
verbindliche Einführung bereits erfolgreich getesteter Modelle wie das
Bielefelder [8] angegangen werden.
Weiterbildung
Die ZaPF fordert, dass der geplante Ausbau von
Weiterbildungsstudiengängen gesellschaftlich verantwortungsvoll
angegangen wird. Weiterbildungsstudiengänge dürfen keine von Unternehmen
oder Einzelpersonen gezahlten Gebühren verlangen und müssen eine
Durchmischung mit der allgemeinen Studierendenschaft vorsehen. Hierfür
muss es auch ausreichend Personal, mit angemessenen Arbeitsbedingungen,
geben.
Wir begrüßen das Vorhaben, die Hochschulen für Studierende attraktiver
zu machen und als Ort des lebenslangen Lernens aufzubauen. Auch mehr
Möglichkeiten für Weiterbildung an Hochschulen für Personen ohne Abitur
sind gute Ziele für eine diversere und offenere Studierendenschaft.
Weiterbildungsstudiengänge sind allerdings momentan mit kostendeckenden
Gebühren versehen. Studiengebühren führen immer zu einem Verlust an
Chancengerechtigkeit.
Anhand von aktuellen Beispielen erkennt man, dass
Weiterbildungsstudiengänge unter den aktuellen Bedingungen kaum am
Allgemeinwohl orientiert sind, sondern vor allem auf die Anforderungen
von Arbeitgebern zugeschnitten werden, die gleichzeitig einen immer
höheren Anteil an der Hochschulfinanzierung ausmachen werden. Dies wird
den Hochschulen nicht mehr die Möglichkeit geben, unabhängig von der
Interessen der Unternehemen, die sie finanzieren, zu handeln.
Zudem ist schon jetzt an einigen Hochschulen zu beobachten, dass diese
Studiengänge separiert von den klassischen Studiengängen angeboten
werden. Für einen wirklichen Mehrwert bedarf es aber an Durchmischung
dieser mit den sonst an der Hochschule vorhandenen Studiengängen, denn
nur so kann es zu einem offenen, belebten Diskurs kommen.
Referenzen:
[1] Exemplarische Studien:
https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-gesundh...
<
https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-gesundh...
<
https://gesunde.uni-koeln.de/sgm/content/befragung/index_ger.html>[2] Resolution
der ZaPF:
https://zapfev.de/resolutionen/sose18/Hochschulgesetze/reso_hsgesetze.pdf
[3] Resolution der ZaPF:
https://zapfev.de/resolutionen/sose23/Nachhaltigkeit/Resolution_zur_Nachh...
<
https://gesunde.uni-koeln.de/sgm/content/befragung/index_ger.html>[4] Resolution
der ZaPF:
https://zapfev.de/resolutionen/wise21/FOSS/FOSS.pdf
<
https://gesunde.uni-koeln.de/sgm/content/befragung/index_ger.html>[5]
Resolution der ZaPF: [LINK hier einfügen]
<
https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/tk-gesundh...
Im 0. Semester werden bisher informell angebotene Veranstaltung zur
Unterstützung des Studieneinstiegs auf einen Umfang von 30 CPs ausgebaut
und als ein 0. Semester akkreditiert. Die individuelle Regelstudienzeit
und der damit einher gehende BAföG-Anspruch von Studierenden, die diese
Veranstaltungen belegen, wird um ein Semester verlängert.
[7] Resolution der ZaPF:
https://zapfev.de/resolutionen/wise17/Zwangsexmatrikulation/Zwangsexmatri...
<
https://zapfev.de/resolutionen/wise17/Zwangsexmatrikulation/Zwangsexmatri...
Bielefelder Studienmodell:
https://www.uni-bielefeld.de/studium/studieninteressierte/was-studieren/s...
Begründung
Seit inzwischen schon einigen Jahren sind die Studierendenzahlen
erheblich rückläufig. Die Gründe dafür sind die sich zunehmend
verschlechternde soziale Lage der Studierenden und Leistungsdruck, der
nachgewiesenermaßen verbreitet zu erschreckenden mental-helath-Problemen
führt. Hinzu kommt, dass Studierende sich vor allem in eine
Konsument:innenrolle gedrängt sehen an Hochschulen, die kaum Antworten
auf die brennenden Fragen dieser Zeit geben.
Diese Entwicklung trägt mit zum aktuellen Fachkräftemangel bei, der
Ausgangspunkt der NRW-Landesrgierung für die aktuell anlaufende
Hochschulgesetz-Novelle ist.
Das Problem an den Plänen der Landesregierung: Zwar werden in einigen
Punkten minimale Verbesserungen angekündigt, die naheliegenden Maßnahmen
gegen die Hauptgründe für die rückläufigen Studierendenzahlen, die die
ZaPF bereits mehrfach eingefordert hat, werden aber nicht angegangen.
Stattdessen ist die Kernidee der Landesregierung, die Hochschulen
systematisch für die Weiterbildung zu öffnen und die wegbrechenden
"normalen" Studierenden durch Weiterbildungsstudierende zu "ersetzen".
Abgesehen davon, dass es zynisch ist, die sich allein schon wegen der
Inflation weiter zuspitzenden Probleme der Studierenden zu ignorieren,
ist es durchaus richtig, wenn die Hochschulen sich in die Weiterbildung
einbringen.
Allerdings: Es kommt dabei ganz entscheidend darauf an, wie dieser
Einstieg in die Weiterbildung gestaltet wird, weswegen die studentischen
Interessenvertretungen hier frühzeitig Maßstäbe der Debatte setzen müssen.
Während Weiterbildung an den Hochschulen im besten Fall zu höherer
Diversität und einer sozialen Öffnung der Hochschulen führen kann, zeigt
ein Blick auf Pilotstudiengänge, die auch ein Bezugspunkt der laufenden
Debatte sind, dass ebenso eine Welle neoliberaler Unterwerfung der
Hochschulen unter die Interessen großer Konzerne dabei heraus kommen
kann. Dies soll am Beispiel des EMBA-Studiengangs an der Uni Köln
verdeutlicht werden:
https://business-school.uni-koeln.de/de/cologne-rotterdam-emba/
* Parallel zur Einführung dieses kontinuierlich wachsenden
Studiengangs wurden die Studienplätze in den regulären Studiengängen
um fast 20% reduziert
* Der Studiengang kostet rund 60.000€ Studiengebühren und trägt damit
in wachsendem Maße zur Gesamtfinanzierung der zugehörigen Fakultät bei.
* Im Rahmen der sog. Unternehmensprogramme können sich
zahlungskräftige Firmen ihre Wunschstudiengänge designen lassen,
wodurch wenige große Unternehmen direkten Durchgriff auf die an der
Fakultät dominante Lehre erhalten.
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